Außerordentliche Kündigung nach Überwachung durch Detektiv

BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16

Besteht ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer, kann die Beauftragung eines Detektivs durch den Arbeitgeber zur entsprechenden Aufdeckung datenschutzrechtlich zulässig sein. Auf der Grundlage der gewonnen Erkenntnisse ist die Aussprache einer außerordentlichen Kündigung möglich.

Sachverhalt:

Der Arbeitgeber hatte darüber Kenntnis erlangt, dass ein Arbeitnehmer, der wiederholt über längere Zeiträume durchgängig arbeitsunfähig krankgeschrieben war, mit seiner beruflichen Qualifikation für ein Konkurrenzunternehmen warb. Bei dem Arbeitgeber entstand damit der Verdacht des Nachgehens einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit sowie des unrechtmäßigen Bezugs von Entgeltfortzahlung.

Er ließ den Arbeitnehmer über mehrere Monate durch einen Privatdetektiv überwachen. Dessen Ermittlungen bestätigten die unerlaubten Konkurrenztätigkeiten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hörte den Arbeitnehmer zu sämtlichen Verdachts- und Vorwurfsmomenten an. Der Arbeitnehmer äußerte sich hierzu nicht. Sodann kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage u.a. mit dem Argument, die Erkenntnisse aus den Detektivtätigkeiten dürften aufgrund Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht als Beweismittel verwertet werden.

Gründe:

Nachdem in 1. Instanz die Klage abgewiesen wurde, gab das LAG in der Berufungsinstanz dem klagenden Arbeitnehmer Recht. In der hiergegen gerichteten Revision bestätigt das Bundesarbeitsgericht hingegen die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Arbeitgebers.

Bei der Observation des Arbeitnehmers durch einen Detektiv handelt es sich um eine Datenerhebung im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG sind Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers nur dann zu rechtfertigen, wenn sie zur Aufdeckung von Straftaten dienen, die im Beschäftigungsverhältnis begangen wurden. Eine Datenerhebung nach der vorgenannten Vorschrift entfalte jedoch keine Sperrwirkung, sodass der Arbeitgeber die von ihm initiierte verdeckte Überwachung des Arbeitnehmers vorliegend auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG (Erforderlichkeit der Datenerhebung u. a. für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) stützen konnte. Zwingende Voraussetzung hierfür sei ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Überwachungsmaßnahme sowie der konkrete Verdacht einer Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer. Darüber hinaus entbinde die Möglichkeit der Überwachung auf Grundlage des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG den Arbeitgeber nicht von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Nach Auffassung des BAG waren diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt, sodass die verdeckten Ermittlungen des Detektivs eine nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zulässige Maßnahme zur Aufklärung des konkreten Verdachts einer schweren Pflichtverletzung des Arbeitsverhältnisses darstellte.

Im Übrigen stelle sowohl das Ausüben einer Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses als auch das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen grundsätzlich eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die grundsätzlich dazu geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund liege zudem auch dann vor, wenn zwar der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits abgelaufen sei, jedoch die Arbeitsunfähigkeit zu dem Zweck vorgetäuscht werde, einer Konkurrenztätigkeit nachzugehen.

Fazit:

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts macht deutlich, dass neben dem Verdacht einer Straftat auch bei dem konkreten Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung der Arbeitgeber grundsätzlich dazu berechtigt ist, zur Aufklärung eine verdeckte Observation durchführen lassen. Voraussetzung hierfür ist aber stets die Vornahme einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ bleiben unzulässig. Im Vorfeld einer solchen Ermittlungsmaßnahme sollte daher immer zumindest ein direktes Gespräch mit dem Arbeitnehmer gesucht werden, um diesem Gelegenheit zur Äußerung zu den im Raum stehenden Vorwürfen zu geben.

RA Robin von Jacobi

Quelle: BAG PM Nr. 29/17 vom 29.6.2017
Zum Volltext der Entscheidung, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2017, 2 AZR 597/16
Vorinstanzen:
ArbG Heilbronn, Urteil vom 22.10.2015 – 8 Ca 28/15
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2016 – 4 Sa 61/15